Charakterisierung leicht gemacht: Je komplizierter deine Figur ihren Kaugummi bekommt, desto besser!

Mädchen kaut Kaugummi | Das Gelbe Sofa (Storytelling)
© Unbearbeitetes Original-Foto von Nik MacMillan auf Unsplash.com

Du liebst Kaugummis!

Kaugummis mit Rucolageschmack.

Eigentlich werden die nur in England hergestellt. Doch bei deinem letzten Besuch hattest du nicht genug Geld dabei. Und hier gibt es keine!

Du bist wieder hier.

Ohne Kaugummis.

Was passiert?

 

vIn deiner Clique gibt es einen. Adrian.
Du kennst ihn nicht richtig. Doch du beobachtest:

Er öffnet seine Tasche. Holt sich etwas raus und will den Rest gerade wieder wegstecken –

Du erstarrst.

Es ist nicht nur irgendetwas. Es ist Kaugummi.
Du leckst dir die Lippen.

Es ist nicht nur irgendein Kaugummi. Es ist DER Kaugummi!

Rucola-Kaugummi!

Wirst du ihn kriegen?

 

– NEIN!

Das ist nicht die Frage!
Die Frage ist nicht, ob du diesen Kaugummi bekommst!

Die Frage ist, wie du versuchst ihn zu bekommen!

 

Du wirst sagen: „Ich werde einfach fragen! Das ist das Einfachste!“

Einfach ist langweilig.

 

Interaktion wird spannender und interessanter, wenn wir Dinge nicht auf direktem Weg versuchen.

Das mag für dich alles sehr bescheuert klingen.

Irgendwo ist es das auch. Aber wir Menschen sind auch bescheuert.
Wir Menschen sind kompliziert. Und es hat oft triftige Gründe, warum wir indirekt handeln. Warum unsere Vorgehensweisen spannend sind.

 

Darf ich vorstellen?

15 spannende Figuren, auf ihrem ganz eigenen Weg zum Kaugummi:

 

1. Blinky, der Chaosverursacher

Blinky beobachtet Adrian aus dem Augenwinkel. Er geht einen Schritt zurück und schlägt unauffällig mit dem Ellbogen den Feueralarm ein.
Dann rempelt er Adrian in der allgemeinen Aufruhr an, sodass diesem die Packung runterfällt.
Blinky steckt sie ein. Kaltblütig. Adrian hat nichts gemerkt.

 

2. Jeffrey, der Lautdenker

„Mmmh, lecker! Der hat ja diese Kaugummis, die ich schon solange gesucht habe!“ – Erschrocken schaut sich Jeffrey um. Hat er das gerade wirklich laut gesagt?
Nun kann er resignieren oder aktiv werden!

 

3. Nicole, die Behaupterin

„Hey Adrian. Ich hab gehört du willst mir einen Kaugummi abgeben?“
Nicole schaut Adrian direkt an. Da muss schon ein aktives „NEIN“ zurückkommen, damit das nicht funktioniert!

 

4. Lothar, der Träumer

Mit eine meiner Lieblingsreaktionen: Keine.
Lothar hat nichts von Kaugummis mitbekommen, weil er in Tagträumen versunken war.

 

5. Rudolf, der Starrer

Rudolf starrt die ganze Zeit auf die Tasche mit den Kaugummis. Wenn er darauf angesprochen wird, ob etwas ist, wehrt er ab.
Doch er starrt weiterhin auf die Tasche. Natürlich ist etwas.

 

6. Josephine, die Tauschhändlerin

„Ich gebe dir einen aus – für einen Kaugummi!“
Dass ein Kaugummi auch verschenkt werden kann, ist in ihrem Weltbild gar nicht vorhanden.
Alternativ können auch Geld oder Dienstleistungen angeboten werden!

 

7. Hektor, der Dieb

Klauen im Vorbeigehen. Nicht mehr und nicht weniger.

 

8. Lewis, der Konkurrent

Eigenes Bonbon auspacken. Mit Blickkontakt schneller lutschen, als Adrian kaut.

 

9. Ernesto, der Laut Redende

Er ignoriert Adrian. Beginnt aber LAUT mit einem anderen aus der Runde über Kaugummis zu unterhalten.
Vielleicht lässt er auch den Hinweis fallen, wie gerne er Rucola-Kaugummis isst. Und wie schade es ist, dass es die hier gar nicht mehr gibt.

 

10. Iwo, der Sich Selbst Überzeugende

„Ich brauch keinen Kaugummi. Erst recht nicht mit Rucola-Geschmack. Nein, gib mir keinen Kaugummi. Ich sagte gib mir keine Kaugummis! Hörst du? ICH HASSE KAUGUMMIS!“

 

11. Wendy, die Direkte

Adrian anvisieren. Um den Hals Fallen.
Kuss. Zunge.
– Was tut man nicht alles für einen Kaugummi…

 

12. Jack, der Mörder

Messer raus. Abstechen. Kaugummis mitnehmen.
Warum immer moralisch denken?

 

13. Charlie, der Trickser

„Adrian ist das etwa, der Rucola-Kaugummi, den du gerade kaust?
– Du weißt schon, warum es die in Deutschland nicht mehr gibt?
Da sind Schadstoffe drin. Zumindest in der alten Rezeptur. Du hast doch die neuen oder? Das weißt du nicht? – Lass mich mal probieren, ich kenne den Unterschied“
Genau genommen reicht die erste Hälfte als Miesmacher schon aus.

 

14. Kelly, die Lügnerin

„Adrian. Ich hab eine Bitte an dich. Ich würde dich nicht fragen, wenn es nicht ganz dringend – lebensnotwendig wäre. Da ist diese eine krebskranke Mädchen, dem ich versprochen hab diesen einen Wunsch zu erfüllen. – Anna heißt sie.
Fall es die Chemotherapie nicht überlebt, wollte sie – kürzlich ist ihre Mutter gestorben – nur einmal etwas probieren, was ihr Mutter ihr früher immer aus dem Urlaub mitgebracht hatte…“
– Ich glaube es ist klar, worauf das hinausläuft…

 

15. Amanda, die Manipulateurin

„Adrian, ich hab dir doch letzte Woche beim Umzug geholfen. Und ich hab neulich für dich Urlaubsvertretung gemacht. Und hab dich nicht beim Chef verpetzt…“
Adrian steht das schlechte Gewissen auf die Stirn geschrieben.
Sie blinzelt: „Ein Kaugummi würde schon reichen“

Das waren sie die 15. Alle haben ungewöhnliche Herangehensweisen benutzt. Und alle haben ihn bekommen.

Den Kaugummi.

Gut, außer Lothar ?

Doch was sollten diese ganzen Figuren?

 

Der Kaugummi

„Je komplizierter deine Figur ihren Kaugummi bekommt, desto besser!“

Ich glaube ich konnte deutlich machen, was daran so spannend ist.

Zumindest, DASS es spannender ist ?

 

Außerdem lieben wir es Menschen bei unnötig komplizierten Vorgängen zu beobachten.

Weil wir das spannend finden. Weil wir das von uns selber kennen.

Oder weil wir das niemals selber machen würden.

 

 

Trotzdem gibt es Ausnahmen:

 

In manchen Situationen ist der direkte Weg noch spannender als der Indirekte:

Zum Beispiel wenn der Weg noch gefährlicher ist und Konsequenzen lauern:

Was, wenn Adrian ein Mafiaboss ist, der dem Letzten, der ihn nach Kaugummis gefragt hat, die Wirbelsäule rausgerissen hat?

Dann frag ihn lieber direkt danach!

 

Das ist zumindest spannender für die Story. Und darum geht es ja ?
Aber es erfordert auch eine Reaktion vom Gegenüber, die dem Kontext gerecht wird.

Der Fokus des direkten Fragens liegt hier mehr auf Mut oder Waghalsigkeit!

 

Weitere Situationen

Es gibt weitere Situationen. Oft eignen sich solche gut, in denen dir der direkte Weg zu unangenehm ist!

Wie verhältst du dich in folgenden Situationen? Wie deine Figuren?

  • Du hast heute Geburtstag und keiner weiß es: Wie vermittelst du das? Oder verschweigst es, wenn dich jemand darauf anspricht?
  • Wie sagst du Besuch, dass es Zeit ist, zu gehen?
  • Wie sprichst du jemanden persönlich an, an dessen Namen du dich nicht mehr erinnerst?
  • Wie rechtfertigst du deine Entscheidungen, die zu Problemen geführt haben?

 

Das alles sind Situationen, die wir kennen.
Situationen die unangenehm sind.
Unannehmlichkeiten, die interessante Verhaltensweisen provozieren:

Alles, was du willst sind Kaugummis!

Wie kriegst du deinen Kaugummi?

Wie verhält sich dein Protagonist?
Wo hast du dich schon mal so richtig kompliziert verhalten?

Solange du erzählst und Kaugummis willst, denke daran:

Es geht um keine schnelle Lösung.

Sonst könnte man sich den Weg der genialen Ideenfindung sparen.

Es geht immer um die Story.

You Had One Job – Das Spiel

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